Termination of fund shares
15. August 2022
Dr. Alexander Eichhorn
The regulation of redemptions and exceptions to the redemption obligation for collective investment schemes
1. Einleitende Bemerkungen
Das Thema der Rücknahmen bei kollektiven Kapitalanlagen nimmt im derzeitigen Marktumfeld wieder an Bedeutung zu. Die nachfolgende Übersicht soll dazu beitragen, Licht in das rechtliche Gestrüpp der Rücknahmethematik zu bringen.
2. Der Begriff «Kündigung» und die Bedeutung des jederzeitigen Rückgaberechts
Mit dem Begriff «Kündigung» ist das Recht des Anlegers von offenen kollektiven Kapitalanlagen (sog. Open-end-Funds) auf Rückgabe der Anteile (Art. 8 Abs. 2 des Bundesgesetzes über die kollektiven Kapitalanlagen, KAG) bzw. die Pflicht der offenen kollektiven Kapitalanlage auf jederzeitige Rücknahme der Anteile (Art. 78 Abs. 2 KAG) gemeint. Bei der Verwendung des vertragsrechtlichen Begriffs «Kündigung» an verschiedenen Stellen im KAG und in der Verordnung über die kollektiven Kapitalanlagen (KKV) handelt es sich um ein redaktionelles Versehen ohne weitere Bedeutung.
Bei der Rückgabe bestimmt sich der Ausgabe- und Rücknahmepreis der Anteile nach dem Nettoinventarwert pro Anteil am Bewertungstag, zuzüglich bzw. abzüglich allfälliger Kommissionen und Kosten (Art. 80 KAG). Damit wird es dem Anleger ermöglicht, aus der kollektiven Kapitalanlage jederzeit auszusteigen und seine Anteile zurückzugeben. Die Ausübung des Rückgaberechts ist dabei grundsätzlich formlos möglich, erfolgt jedoch in der Regel schriftlich. Der Anleger kann sein Rückgaberecht grundsätzlich jederzeit (Art. 78 Abs. 2 KAG) und ohne Einhaltung einer Frist ausüben. Die Rücknahme muss jedoch nicht täglich, sondern kann auch wöchentlich oder monatlich erfolgen.
Nachfolgend wird aufgezeigt, in welchen Fällen das jederzeitige Rückgaberecht beschränkt oder befristet ausgeschlossen bzw. die Rückzahlung aufgeschoben werden kann.
3. Gründe für den Ausschluss bzw. die Beschränkung des jederzeitigen Rückgaberechts
Das Recht auf jederzeitige Rückgabe der Anteile stellt das Wesensmerkmal von offenen kollektiven Kapitalanlagen dar und funktioniert als Schutzmechanismus für die Anleger. Insbesondere beim vertraglichen Anlagefonds, bei dem die Anleger nicht über Mitgliedschaftsrechte wie die Anleger einer Investmentgesellschaft mit variablem Kapital (SICAV) verfügen, zeigt sich die Bedeutung dieses Rechts als Gegengewicht zur weitgehend passiven Stellung der Anleger gegenüber der Fondsleitung. In der Praxis bildet der börsliche oder ausserbörsliche Verkauf der Anteile jedoch die Regel und die Rückgabe der Anteile durch den Anleger die Ausnahme.
Das Rückgaberecht ist nicht nur aus der Perspektive des ausstiegswilligen Anlegers zu betrachten, sondern auch unter dem Blickwinkel der im Fonds verbleibenden Anlegern. Wird eine kollektive Kapitalanlagen mit zahlreichen Rückgabebegehren der Anteile konfrontiert, die unter Umständen mehr als die Hälfte des Fondsvermögens betreffen, kann das dazu führen, dass trotz umsichtigem Liquiditätsmanagements und trotz aller Bemühungen die für die Rückzahlung notwendige Liquidität nicht bereitgestellt werden kann. Die Fondsleitung oder die SICAV wird gegebenenfalls dazu gezwungen, zur Liquiditätsbeschaffung Vermögenswerte zu ungünstigen Konditionen zu veräussern oder zusätzliche Kredite aufzunehmen. Das jederzeitige Rückgaberecht stellt für den Anleger somit – abhängig von der Perspektive – «Fluch und Segen» zugleich dar. Abweichungen davon rechtfertigen sich daher.
4. Ausnahmefälle vom Rückgaberecht
Gesetzliche Ausnahmen bzw. Einschränkungen des jederzeitigen Rückgaberechts gemäss Art. 78 Abs. 2 KAG sind namentlich vorgesehen: (i) Bei erschwerter Bewertung oder beschränkter Marktgängigkeit bzw. auf begründeten Antrag in Abhängigkeit von Anlagen und Anlagepolitik (Art. 79 KAG i.V.m. Art. 109 KKV), (ii) in von der Kollektivanlagenverordnung vorgesehenen Fällen oder in ausserordentlichen Fällen (Art. 81 KAG i.V.m. Art. 110 KKV), (iii) bei Immobilienfonds (Art. 66 Abs. 2 KAG) (iv) oder wenn die offene kollektive Kapitalanlage ausschliesslich qualifizierten Anlegern offensteht (Art. 10 Abs. 5 lit. d KAG).
4.1 Ausnahmen vom Recht auf jederzeitige Rückgabe beierschwerter Bewertung oder beschränkter Marktgängigkeit
Der Bundesrat kann nach Massgabe der Anlagevorschriften (Art. 54 ff. KAG, Art. 59 ff. KAG und Art. 69 ff. KAG) bei kollektiven Kapitalanlagen mit erschwerter Bewertung oder beschränkter Marktgängigkeit Ausnahmen vom Recht auf jederzeitige Rückgabe der Anteile vorsehen (Art. 79 Abs. 1 KAG). Entsprechend sieht Art. 109 Abs. 1 KKV vor, dass das Fondsreglement in diesen Fällen vorsehen kann, dass die Kündigung nur auf bestimmte Termine, jedoch mindestens viermal im Jahr, erklärt werden kann. Wird das Recht auf jederzeitige Rückgabe eingeschränkt, so ist dies im Fondsreglement, im Prospekt und im Basisinformationsblatt ausdrücklich zu nennen (Art. 109 Abs. 3 KKV). Die kollektive Kapitalanlage hat den Ausgabe- und Rücknahmepreis respektive den Inventarwert in den im Prospekt genannten Printmedien oder elektronischen Plattformen mindestens einmal pro Monat zu veröffentlichen (Art. 66 Abs. 2 KKV-FINMA).
Nach vorliegender Auffassung muss bei sämtlichen Fondarten, obwohl nicht ausdrücklich in der Verordnung geregelt, im Fondsreglement zusätzlich auch eine Rücknahmefrist analog der zwölfmonatigen Frist bei Immobilienfonds (Art. 66 Abs. 2 KAG) vorgesehen werden können. Damit kann sichergestellt werden, dass die offene kollektive Kapitalanlage die Veräusserung von Anlagen vorausplanen und sicherstellen kann, dass sie bei jedem Rücknahmetermin über die nötige Liquidität verfügt.
4.1 Aussetzung des Rechts auf jederzeitige Rückgabe auf maximal fünf Jahre (sog. Lock-up)
Auf begründeten Antrag der Fondsleitung oder der SICAV kann die Eidgenössische Finanzmarktaufsicht FINMA (FINMA) gemäss Art. 79 KAG i.V.m. Art. 109 Abs. 2 KKV das Recht auf jederzeitige Rückgabe in Abhängigkeit von Anlagen und Anlagepolitik einschränken. Dadurch wird es ermöglicht, dass die FINMA, bei gewissen offenen kollektiven Kapitalanlagen, bei denen es die mangelnde Liquidität der Anlagen rechtfertigt, bestimmte Rückgabetermine vorzusehen bzw. das Recht auf jederzeitige Rückgabe befristet ausschliessen kann. Dies gilt gemäss Art. 109 Abs. 2 KKV namentlich bei (i) Anlagen, die nicht kotiert sind und an keinem anderen geregelten, dem Publikum offenstehenden Markt gehandelt werden, (ii) bei Hypothekaranlagen und bei (iii) Private-Equity-Anlagen. Die Aufzählung ist nicht abschliessen. Möglich ist auch, dass die FINMA das Recht auf jederzeitige Rückgabe auch bei anderen Anlagen einschränkt. Die Einschränkung des Rückgaberechts ist im Fondsreglement, im Prospekt und im Basisinformationsblatt ausdrücklich zu nennen (Art. 109 Abs. 3 KKV). Das Recht auf jederzeitige Rückgabe darf maximal fünf Jahre ausgesetzt werden (Art. 79 Abs. 2 KAG; Art. 109 Abs. 4 KKV).
Weitere Ausgestaltungsmöglichkeiten ergeben sich bei offenen kollektiven Kapitalanlagen für qualifizierte Anleger im Zusammenhang mit einem Lock-Up durch zeitlich unterschiedliche Ausstiegsbedingungen (sog. Soft Lock-up) oder durch eine Beschränkung der Anzahl von Anteilen, die während einer bestimmten Zeitspanne von den Anlegern zurückgegeben werden können (sog. Gates, ausgestaltet nach dem First-in-First-out-Prinzip). Als Restrukturierungsmassnahme sinnvoll kann in Krisensituationen auch die Ausgestaltung mit Side-Pockets sein.
4.3 Vorübergehender Aufschub der Rückzahlung
Im Fondsreglement der offenen kollektiven Kapitalanlage kann gemäss Art. 81 Abs. 1 KAG i.V.m. Art. 110 Abs. 1 KKV vorgesehen werden, dass im Interesse der Gesamtheit der Anleger die Rückzahlung der Anteile vorübergehend und ausnahmsweise aufgeschoben wird, wenn (i) ein Markt, der die Grundlage für die Bewertung eines wesentlichen Teils des Fondsvermögens bildet, geschlossen ist oder der Handel an einem solchen Markt beschränkt oder ausgesetzt ist, (ii) ein politischer, wirtschaftlicher, militärischer, monetärer oder anderer Notfall vorliegt, (iii) wegen Beschränkungen des Devisenverkehrs oder Beschränkungen sonstiger Übertragungen von Vermögenswerten Geschäfte für die kollektive Kapitalanlage undurchführbar werden oder (iv) zahlreiche Anteile gekündigt werden und dadurch die Interessen der übrigen Anleger wesentlich beeinträchtigt werden können. Der Entscheid über den Aufschub ist der Prüfgesellschaft und der FINMA unverzüglich und den Anlegern in angemessener Weise mitzuteilen (Art. 110 Abs. 2 KKV). Sobald die den Aufschub begründenden Umstände einer effizienten Bewertung des Fondsvermögens und der Rückzahlung nicht mehr entgegenstehen, ist die Rückzahlung der Anteile schnellstmöglich vorzunehmen. Den Anlegern ist, wenn möglich, die voraussichtliche Dauer des Aufschubs der Rückzahlung mitzuteilen.
Bei den in Art. 110 Abs. 1 KKV genannten Tatbeständen handelt es sich um eine abschliessende Aufzählung. In «ausserordentlichen Fällen» kann die FINMA jedoch im Interesse der Gesamtheit der Anleger einen befristeten Aufschub für die Rückzahlung der Anteile gewähren (Art. 81 Abs. 2 KAG). In diesem Fall bedarf es keiner ausdrücklichen Regelung im Fondsreglement. Solange die Rückzahlung der Anteile aufgeschoben ist, dürfen keine Anteile ausgegeben werden, sowohl in ordentlichen als auch in ausserordentlichen Fällen (Art. 81 Abs. 1 und 2 KAG).
4.4 Beschränkung des Rückgaberechts der Anteile bei Immobilienfonds
Eine weitere Beschränkung des jederzeitigen Rückgaberechts sieht das Gesetz in Art. 66 Abs. 2 KAG für Immobilienfonds vor. Bei Immobilienfonds können die Anleger nicht jederzeit, sondern grundsätzlich nur unter Einhaltung einer Frist von zwölf Monaten auf das Ende eines Rechnungsjahres die Rücknahme ihrer Anteile verlangen. Eine vorzeitige Rückzahlung ist gemäss Art. 66 Abs. 2 KAG i.V.m. Art. 98 KKV jedoch möglich, wenn die Anleger dies bei der Kündigung schriftlich verlangen und sämtliche Anleger, die eine vorzeitige Rückzahlung verlangt haben, befriedigt werden können.
4.5 Sonderfall: Ausschluss des Rückgaberechts bei Auflösung
Ein Sonderfall stellt die Auflösung einer offenen kollektiven Kapitalanlage dar. Nach Bekanntgabe der Auflösung in den Publikationsorganen, dürfen Anteile nicht mehr ausgegeben und nicht zurückgenommen werden (Art. 97 Abs. 1 KAG). Nach der Publikation der Auflösung wird die offene kollektive Kapitalanlage somit uno acto zur geschlossenen kollektiven Kapitalanlage. Die Anleger haben jedoch Anspruch auf einen Anteil des Liquidationserlöses (Art. 97 Abs. 2 und 3 KAG).
4.6 Ausnahmen vom jederzeitigen Kündigungsrechts bei offenen kollektiven Kapitalanlagen für qualifizierte Anleger
Gemäss Art. 10 Abs. 5 lit. d KAG kann die FINMA Ausnahmen vom Recht auf jederzeitige Kündigung für offene kollektive Kapitalanlagen für qualifizierte Anleger gewähren. In Anbetracht der sehr grosszügigen Beschränkungsmöglichkeiten, ist der Bedarf für die Anwendung von Art. 10 Abs. 5 lit. d KAG jedoch gering. Im Gesetz und in der Verordnung finden sich, wie aufgezeigt, bereits umfangreiche, detaillierte und insbesondere in Bezug auf den befristeten Ausschluss des jederzeitigen Rückgaberechts gemäss Art. 79 KAG i.V.m. Art. 109 Abs. 2 KKV um weitgehende Regelungen.
Grundsätzlich gelten für die Anwendung von Art. 10 Abs. 5 lit. d KAG die gleichen Anforderungen wie für Art. 79 KAG i.V.m. Art. 109 Abs. 2 ff. KKV (siehe dazu zu den Ausführungen oben). Aufgrund von Art. 10 Abs. 5 lit. d KAG besteht jedoch für offene kollektive Kapitalanlagen für qualifizierte Anleger die Möglichkeit, sich von gewissen Anforderungen von Art. 109 Abs. 2 ff. KKV ganz oder teilweise zu befreien. Denkbar ist z.B., dass sich die kollektive Kapitalanlage im Zusammenhang mit Art. 10 Abs. 5 lit. b KAG von der Pflicht zur ausdrücklichen Nennung der Einschränkung des jederzeitigen Rückgaberechts im Prospekt und im Basisinformationsblatt gemäss Art. 109 Abs. 3 KKV befreien kann. Denkbar ist auch, die offene kollektive Kapitalanlage für qualifizierte Anleger vom Erfordernis der monatlichen Preisveröffentlichung nach Art. 66 Abs. 2 KKV-FINMA zu befreien oder auch eine Ausnahme von der maximalen Aussetzungsfrist von fünf Jahren zu gewähren. Bei offenen kollektiven Kapitalanlagen für qualifizierte Anleger ist es geboten, eine grosszügigere Praxis hinsichtlich der nicht abgeschlossenen Aufzählung von Anlagen gemäss Art. 109 Abs. 2 KKV zu gewähren als bei offenen kollektiven Kapitalanlagen für Publikumsanleger.
Für weitere Informationen kontaktieren Sie gerne Dr. Alexander Eichhorn.