Handlungsbedarf für Finanzdienstleister: Neues FINMA Rundschreiben zu Verhaltenspflichten nach FIDLEG/FIDLEV
13. Dezember 2024
Dr. Thomas Nagel
Handlungsbedarf für Finanzdienstleister
Ab 1. Januar 2025 tritt das neue Rundschreiben 2025/2 der Eidgenössischen Finanzmarktaufsicht FINMA (FINMA) zu den Verhaltenspflichten nach FIDLEG/FIDLEV in Kraft.
Mit dem neuen Rundschreiben zum Finanzdienstleistungsgesetz FIDLEG legt die FINMA ihre Aufsichtspraxis zu zentralen Auslegungsfragen dar. Die Änderungen sind relevant für alle Personen und Unternehmen, die als Finanzdienstleister unter dem FIDLEG gelten. Das können z.B. Banken, Finanzinstitute (Vermögensverwalter, Trustees, Wertpapierhäuser, Fondsleitungen) sowie Anlageberater und Vermittler von Finanzinstrumenten sein.
Aufgrund des Inkrafttretens des Rundschreibens bereits am 1. Januar 2025 ist Handlungsbedarf geboten, da nicht für alle Vorgaben Übergangsfristen bis zum 30. Juni 2025 besteht.
Die wichtigsten Regelungen des FINMA-Rundschreibens 2025/2 lassen sich wie folgt zusammenfassen (jeweils mit Verweis auf die Randziffern des Rundschreibens):
Begriffe, Rz. 3: Die Ausnahme betreffend die Platzierung von Finanzinstrumenten nach Art. 3 Abs. 3 Bst. b FIDLEV gilt für Dienstleistungen an Unternehmen und deren Aktionäre als Teilhabende, die sich über den Kapitalmarkt finanzieren. Hingegen fallen das Angebot dieser Finanzinstrumente an Anleger bzw. deren Veräusserung an Kunden unter den Anwendungsbereich des FIDLEG.
Information über die Art der Finanzdienstleistung, Rz. 4: Finanzdienstleister müssen die Art der Finanzdienstleistung kennzeichnen und dokumentieren. Insbesondere ist bei der Anlageberatung klar zu dokumentieren, ob sie transaktions- oder portfoliobezogen ist.
Information über die mit Finanzinstrumenten verbundenen Risiken, Rz. 5 ff.: Bei Differenzkontrakten muss ein Finanzdienstleister die Kunden über Nachschusspflichten, das potenziell unbegrenzte Verlustrisiko sowie über Hebeleffekt, Funktionsweise der Marge, Gegenpartei- und Marktrisiko (einschliesslich Slippage) informieren.
Informationen betreffend Differenzkontrakte, Rz. 8: Der Finanzdienstleister muss weiter die Kunden quartalsweise darüber informieren, welcher Anteil (in %) der Privatkunden mit Differenzkontrakten in den letzten 12 Monaten Geld verloren hat, bei Schliessung ihrer Position einen Totalverlust der Margen erlitten hat und nach Schliessung der Position einen Negativsaldo nachzahlen musste.
Information über Klumpenrisiken, Rz. 9 ff.: Informationspflicht über Risikokonzentrationen (Klumpenrisiken), welche z.B. vorliegen können, wenn 10% oder mehr des Gesamtportfolios eines Kunden sich aus einem Einzeltitel zusammensetzt, oder wenn 20% oder mehr des Gesamtportfolios bei einzelnen Emittenten sowie in Produkten mit hoher Hebelwirkung investiert ist. In Ausnahmefällen sind solche Konzentrationen bei kollektiven Kapitalanlagen aber zulässig, z.B. wenn auf Produktebene eine genügende Risikodiversifikation vorliegt (z.B. bei breit diversifizierten Fonds).
Präzisierung zur Angemessenheits- und Eignungsprüfung, Rz. 13 f.: Es wird präzisiert, wie die Pflicht zur Angemessenheits- und Eignungsprüfung (Art. 11–12 FIDLEG, Art. 16–17 FIDLEV) aus Sicht der Aufsichtspraxis zu erfüllen ist. Insbesondere werden konkrete Anforderungen an die Erhebung der Kundeninformationen formuliert. Der Finanzdienstleister erkundigt sich nach den Kenntnissen und Erfahrungen seiner Kunden für jede relevante Anlagekategorie, die Anwendung findet. Die Granularität der Anfragen muss an Komplexität und Risikoprofil der Anlagen, die bei der Finanzdienstleistung Anwendung finden können, angepasst sein.
Anforderungen für Securities Lending, Rz. 15 ff.: Bei Securities Lending gelten zusätzliche Pflichten und Anforderungen, insbesondere an die Dokumentationspflicht.
Verwendung eigener Finanzinstrumente, Rz. 23: Wenn ein Finanzdienstleister nur eigene Finanzinstrumente verwendet, muss ein Hinweis auf die damit verbundenen Risiken an die Kunden erfolgen.
Interessenkonflikte, Rz. 24 ff.: Bei Verwendung von Finanzinstrumenten von Dritten ist der Finanzdienstleister verpflichtet, Massnahmen zur Vermeidung von damit verbunden Interessenkonflikten zu ergreifen. Dazu gehört namentlich das Einführen eines Prozesses zur Selektion von Finanzinstrumenten anhand branchenüblicher, objektivierter Kriterien. Auf unvermeidbare Konflikte sind die Kunden hinzuweisen.
Entschädigungen Dritter, Rz. 26 ff.: Informationen über Retrozessionen sind optisch hervorzuheben. Sie müssen physisch vorliegen oder elektronisch einfach auffindbar sein (Rz. 26). Kann die genaue Höhe einer Entschädigung vor der Erbringung der Finanzdienstleistung oder dem Vertragsschluss nicht bestimmt werden, informiert der Finanzdienstleister die Kundin oder den Kunden über die Bandbreiten der Entschädigungen für verschiedene Klassen von Finanzinstrumenten sowie bei Vermögensverwaltung und portfoliobezogener Anlageberatung zusätzlich anhand des Portfoliowerts und der Anlagestrategie (Rz. 27-29). Auf Anfrage legen Finanzdienstleister die tatsächlich erhaltenen Beträge in der Regel kostenlos offen (Rz. 30).
Die obenstehende Aufzählung ist nicht abschliessend. Es können auch Ausnahmen zur Anwendung gelangen. Ob ein Handeln nötig ist, ist im Einzelfall in Kenntnis der jeweiligen Kundenportfolios zu beurteilen.
Die meisten dieser Pflichten sind per 1. Januar 2025 einzuhalten. Einzig für die Pflichten gemäss Rz. 8, 9 – 12, 24–25 und 26 besteht eine Übergangsfrist bis zum 30. Juni 2025. Zu beachten ist namentlich, dass für die Vorgaben an die Offenlegung von Entschädigungen durch Dritte für die Vorgaben in den Rz. 27-30 (vgl. oben) keine ausdrückliche Übergangsbestimmung besteht, wobei die Regelung weitestgehend aktueller Praxis und Rechtsprechung entspricht.
Finanzdienstleistern ist zu empfehlen, ihre interne Dokumentation, Kundeninformationsdokumente, Vertragsunterlagen und -beilagen, sowie Weisungen auf Handlungsbedarf zu überprüfen. Das Regulatory-Team von Advoro steht Ihnen dafür gerne zur Verfügung.